Start zur großen Sommertour
Freitag, 9. Juni / 1. Tag
Die Tour in unseren "großen Sommer" beginnt exakt um 9:30 Uhr. Der Himmel ist bedeckt und das Thermometer am Wohnwagen schafft es gerade mal auf 15 Grad Celsius. Über die Autobahn ist unser nur 70 km entferntes Tagesziel Wolfsburg schnell erreicht. Ebenso schnell checken wir auf dem Campingplatz am Allersee ein. Bis zum Mittag ist unser Camp in der "Mini-Ausstattung" aufgebaut. Will heißen ohne Vorzelt und nur mit dem Sonnensegel. Den Nachmittag nutzen wir zu einem Besuch in Groß Schwülper, nahe Braunschweig. Hier ist meine "Sandkastenliebe" Barbara zuhause, mit der ich 1952 (!) in Gunsleben eingeschult wurde und die damals kurze Zeit in unserem Haus wohnte. Nach einem kurzweiligen, leider verregneten und stürmischen Nachmittag bei Kaffee und Kuchen fahren wir nach einem Einkauf im Edeka nach Wolfsburg zurück. Hier hat der Sturm ganze Arbeit geleistet und unser schlecht gespanntes Sonnensegel buchstäblich weggepustet. Den ersten Tag lassen bei einem Schoppen Wein vor unserem Schneckenhaus ausklingen.
Vom Aller- an den Scharmützelsee
Sonntag, 11. Juni / 3. Tag
Bei hochsommerlichen Temperaturen verlassen wir Wolfsburg am Nachmittag, nachdem wir zuvor Augenzeugen des 33. Wolfsburger Triathlon waren, an dem auch unsere Halberstädter "Kinder" teilgenommen haben. Die Fahrt über die berüchtigte "Warschauer Allee" (A 2) verläuft an einem Sonntagnachmittag trotz zahlreicher Baustellen im Großraum Berlin recht unspektakulär. Kurz vor 20 Uhr checken wir 35 km vor der polnischen Grenze auf einem Campingplatz bei Wendisch Rietz ein. Auf dem zu 80 % von Dauercampern belegten Platz am Scharmützelsee bekommen wir nach freundlichem Empfang einen super Platz mit Seeblick angeboten.
Hier sitzen wir nach einem erfrischenden Bad im kristallklaren Wasser des Sees noch bis kurz nach Mitternacht bei einem Glas Sekt für die Muddi und einem hopfenhaltigen Kaltgetränk für den Reiseleiter vor unserem Wohni und genießen den herrlichen Sommerabend.
Ausflug nach Bad Saarow
Dienstag, 13. Juni / 5. Tag
Heute steht ein Ausflug nach Fürstenwalde und nach Bad Saarow auf dem Programm. Nach einem etwas umfangreicheren Einkauf im Fürstenwalder Kaufland fahren wir nach Bad Saarow, um hier durch die schon zu DDR-Zeiten bekannte Kurstadt zu bummeln.
Vom Scharmützelsee nach Malta
Mittwoch, 14. Juni / 6. Tag
Der schöne Stellplatz am See und das ganze Drumherum sind allemal die 42 Euronen wert, die wir bei der Abreise in der Rezeption für unseren zweitägigen Aufenhalt abdrücken. Nun wird es wohl bis Mitte August dauern, bevor wir wieder auf deutschem Boden rollen. Mal sehen, was da in Polen und danach im Baltikum und in Skandinavien so auf uns zukommt. Es dauert nicht mehr lange, bis wir an einer Mautstation ein Ticket für die polnische Autobahn ziehen dürfen. Danach schleichen wir mit der für Gespanne vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h, manchmal auch ein bissel mehr, durch die Woiwodschaft Großpolen (Wielkopolska). Kurz vor Poznan holt uns Fräulein Navi von der Autobahn und leitet uns zum heutigen Tagesziel, dem Hotel und Campingplatz Malta.
Veltins und Ramazotti
Der Campinplatz Malta ist ohne Zweifel eine gute Adresse für die, die der Stadt Posen einen Besuch abstatten wollen, aber der Platz am gleichnahmigen See ist auch ein Magnet für sportliche Großveranstaltungen, wie sie justament während der Zeit unseres Aufenthalts stattfinden. Diesmal geht es um den Weltcup im Rudern, was zur Folge hat, dass der Platz völlig ausgebucht ist, als wir mit unserem kleinen Gespann vor der Schranke stehen. "Complet" weist man unsere Anfrage zunächst ab, bevor man uns doch noch ein kleines Plätzchen zuweist.
Hier gesellt sich am zweiten Abend ein Wohnmobil zu uns, dessen Fahrer Jens aus Fahrland (bei Potsdam) stammt, wo er eine Firma für Signal- und Sicherungstechnik betreibt. Mit dabei die von ihm gesponserten Ruderer Jona und Martin sowie Erwin der frisch geschorene Bobtail. Zu fünft verbringen wir vor unserem Wohnwagen einen feuchtfröhlichen Abend mit einem von Jens mitgebrachten Fässchen Veltins und einer halben Flasche Ramazotti.
An Vaters Grab
Donnerstag, 15. Juni / 7. Tag
Was für ein bewegender Tag! Nachdem uns 2007 die Spurensuche nach dem Grab unseres Vaters bis zu seinem Sterbeort im Kriegsgefangenenlager Żagań (Sagan) geführt hat, besuchen wir heute die uns von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge genannte, vermutliche Grablage.
Aber der Reihe nach: Zunächst fahren wir mit dem Auto zum Friedhof Milostowo, auf dem sich die deutsche Kriegsgräberstätte befindet. Nach gezielter Suche und einer Nachfrage auf "deutsch-polnisch-englisch" stehen wir plötzlich vor dem riesigen Gräberfeld, auf dem tausende in den letzten Kriegsjahren gefallene deutsche Soldaten ihre letzte Ruhestätte fanden. Auf großen Bronze- und Mamortafeln sind die Namen in alphabetischer Reihenfolge eingraviert, bzw. gemeißelt. "Ich hab ihn", ruft die Muddi plötzlich als sie den Namen unseres Vaters auf einer der vielen Tafeln im Block 2B entdeckt.
ERICH BUCHHOLZ *26.10. 1894 † 5.10.1945
An seinem Todestag war ich gerade mal 7 Monate alt. Von meiner Geburt hat er nichts erfahren, ihm war lediglich bekannt, dass in seiner Familie ein viertes Kind erwartet wird...... - Nun stehe ich hier als 72-jähriger zum ersten Mal an seinem Grab.
Auf Schleichfahrt durch Polen
Freitag, 16. Juni / 8. Tag
Time to say godbye, bzw. auf polnisch Czas się pożegnać, heißt es heute. Nachdem wir in der Rezeption 42 € für zwei Übernachtungen bezahlt haben, füttern wir das Navi mit unserem neuen Tagesziel und fahren stramm in Richtung Nordost auf Olsztyn (Masuren) zu. Die E 15 über Torun gleicht mehr einer Landstraße zweiter Ordnung als einer Europastraße. Längere Folgen von mit Schlaglöchern garnierten Unebenheiten werden ganz einfach mit Geschwindigkeitsbegrenzungen beschildert. Und so kommen wir auf unserer Schleichfahrt nur langsam voran, zumal uns auch noch ein sich nicht öffnen wollender Tankverschluss das Tanken für unschlagbare 96 Ct./Liter Diesel verwehrt. Als sich ein paar Kilometer weiter das Ding doch noch besinnt und aufspringt, können wir kurz vor Torun für auch noch günstige 1,02 € pro Liter rüsseln. Sowohl in Torun als auch in Ostroda hat unser Fräulein Navi Mühe, uns durch die vielen neuen Straßen zu leiten. Letztendlich erreichen wir unser Tagesziel, den Campingplatz Nr. 173 bei Diwitten (Dywity), nach einer beängstigenden Zufahrt auf den letzten 500 Metern gegen 19 Uhr. Hier werden wir für des Tages Mühen mit einem traumhaft schönen Stellplatz am Wasser belohnt. Um unser Glück noch vollständig zu machen, teilen unsere Nachbarn aus dem sächsischen Pirna ihre selbstgemachte, überaus köstliche Soljanka mit uns. Wir brauchen nur noch den Löffel auszupacken. Camperherz, was willst du mehr.
Erholsame Tage in traumhafter Landschaft
Sonnabend/Sonntag, 17/18. Juni - 9./10. Tag
Nach den zwei Tagen in Posen mit dem Trubel auf dem Campingplatz Malta finden wir auf dem kleinen Campingplatz bei Diwitten die Ruhe, die wir brauchen, um nach dem bewegenden Abschluss unserer Grabsuche unser Gleichgewicht wieder zu finden. Dem Nichtstun am Vormittag schließt sich am Nachmittag ein Ausflug nach Olsztyn (Allenstein) an. Rund um die historische Altstadt wird gebaut was das Zeug hält. In einem Restaurant am Markt merken wir zu spät, dass unser Kotelett nicht vom Schwein, sondern vom Sojabohnenfeld ist. Aber egal, wir haben zwar nicht die Absicht, Vegetarier zu werden, aber es schmeckt uns trotzdem. Den Abend verbringen wir gemeinsam mit unseren Nachbarn Bettina und Andreas aus Pirna bei ein paar Gläschen Rotwein und gehen erst gegen Mitternacht zu Bett. Der Sonntag wird bei uns zum absoluten Ruhetag, während die beiden Pirnaer eine Radtour ins Umland machen und uns am Abend zu einer Flasche Wein zu sich einladen.
200 Kilometer durch die Masuren
Bevor wir uns auf die Reise durch die Masuren machen, verabschieden wir uns von unserern Nachbarn Bettina und Andreas, die noch eine Woche hier auf der Halbinsel bleiben. Zwar liegen zwischen Diwitten im westlichen Teil und Suwalki im östlichen Teil der Masuren nur ca. 200 km, doch wenn man sich nur vom Navi leiten lässt, führt die Fahrt dorthin nicht nur über komfortable, meist EU-finanzierte Straßen, sondern auch über Wege, die man nur schwer als solche bezeichnen kann. Wir fahren auf einer schmalen, kopfsteingepflasterten Straße (Nr. 590) teilweise im Schritttempo in Richtung Rastenburg (Kętrzyn) und entscheiden uns bei der Wahl zwischen "Führers" Wolfsschanze und der Kirche Heilige Linde in Swieta Lipka für den kleinen Ort mit Polens bekanntester Wallfahrtskirche. In Swieta Lipka lassen wir uns in Bertas urigem Dorfgasthaus ein vorzügliches landestypisches Mittagessen schmecken. . Den nächsten Halt machen wir erst wieder in Kruklanki, jenem Ort am Goldopiwo See an dem wir mit Schwester und Schwager plus Kinderschar bereits 1976 gecampt, damals auf gut deutsch "gezeltet" haben. Das war vor sage und schreibe 41 Jahren. Da ist es wohl völlig normal, dass wir hier kaum etwas wieder erkennen.
Weiter nach Litauen
Montag/Dienstag, 19./20. Juni - 11./12. Tag
Von Suwalki haben wir uns eigentlich mehr versprochen. Aber als wir den zwischen dem örtlichen Fußballstadion und einer verkehrsreichen Straße gelegenen, angeblich nagelneuen Campingplatz "Eurocamping Suwalki" sehen, der mehr einem Wohnmobilstellplatz gleicht, machen wir postwendend kehrt und steuern einen klitzekleinen Campingplatz mitten in der Stadt an. Der ist zwar nur mit dem Nötigsten ausgestattet, soll uns aber nur für eine Übernachtung dienen, weil wir unseren Tourplan kurzfristig ändern und nun statt Trakai das litauischen Druschkininkai mit ins Reiseprogramm aufnehmen.
Mondänes Druschkininkai
Mittwoch, 21. Juni / 13. Tag
Das 15.000 Einwohner zählende Druschkininkai war schon zu Sowjetzeiten ein beliebter Kur- und Erholungsort. Die Stadt präsentiert sich heute als Litauens mondänster Kurort, in dem aber nach wie vor reiche Russen ihre fetten Frauen "aufpimpen" lassen. Nach dem Frühstück lassen wir uns für schlappe 2 Euro mit einem Taxi ins Zentrum kutschieren und lustwandeln hier durch die weitläufigen von noblen Hotels und Sanatorien umsäumten Grünanlagen. Gegen Mittag verfolgen wir das pompöse musikalisch umrahmte Spiel der Springbrunnen vor dem Europa Royale-Hotel. Danach runden ein kleiner Einkauf, ein Tässchen Kaffee und ein Eisbecher in den gediegenen Lokalitäten des Kurortes den Rest des Tages ab, bevor wir nach einem Spaziergang durch den blitzsauberen Sport- und Kulturpark wieder zurück auf unserem Campingplatz sind.
Ein Männlein steht im Walde
Donnerstag, 22. Juni / 14. Tag
Wer in Druschkininkai weilt, sollte nicht versäumen, dem vor den Toren der Stadt gelegenen Grutas-Park einen Besuch abzustatten, heißt es in unserem Reiseführer. Gesagt, getan! Vorher informieren wir uns bei Tante Google, was uns erwartet. In dem weitläüfigen Park finden Dutzende Skulpturen aus der Zeit der sowjetischen Besatzung Litauens, die von ihren ursprünglichen Standorten in den Stadtzentren vom Sockel geholt wurden, einen neuen dauerhaften Standort. In einer für Propagandastatuen bewusst untypisch gewählten Umgebung werden Lenin, Stalin, Dserschinski und Konsorten sowie weitere Kommunisten, die durch die Statuen repräsentiert werden, und die Taten, für die sie verantwortlich waren, mit Informationstafeln vorgestellt.
Wikipedia schreibt: Durch die historische Kontextualisierung soll Vorwürfen entgegengetreten werden, dass es sich hier eine Verharmlosung oder sogar Verherrlichung des totalitären Systems
handle.
Wir finden es etwas merkwürdig, dass in einem Souvenirshop mit besonderen Gläsern mit Stalins, Lenins, Chruschtschows und Marx’ Konterfei sogar Bilder von Jungkommunisten, Oktoberrevolutionären und Arbeiterfrauen und -männern hängen. Fast lächerlich mutet es an, dass man in einem Restaurant von Kellnerinnen im Pionierhemd und anderen sowjetischen pseudonostalgischen Attributen bedient wird. Wir sind froh, nach fast zwei Stunden Fußmarsch durch dieses Sowjet-Panoptikum wieder im Auto zu sitzen und Kurs auf unser nächstes Etappenziel, ca. 200 km memelabwärts, nehmen zu können. Den CP Kempingas Medaus Slėnis, bei Šilinė erreichen wir nach einer ausgiebigen Pause in Išlaužas gegen 18 Uhr. Nach dem problemlosen Check-inn, erstmals gegen Vorkasse, steht unser Camp in wenigen Minuten.
Weiter ans Kurische Haff
Sonnabend, 24. Juni / 16. Tag
Der Regen, der über Nacht auf unser Wohnwagendach trommelt, lässt auch tagsüber kaum nach. Als wir unseren Campingplatz im Honigtal verlassen, lässt es sich der freundliche Platzinhaber nicht nehmen, uns persönlich zu verabschieden. Auf jeden Fall werden wir den Aufenthalt auf diesem schönen Platz in guter Erinnerung behalten. Die nur 140 Kilometer lange Tagesetappe nach Vente (Windenburg) führt uns entlang der Grenze zum russischen Gebiet um Kaliningrad (Königsberg) auf holprigen Straßen bei mäßiger Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h durch vorwiegend von Viehzucht geprägtes Land. So sind die im regennassen Gras links und rechts des Weges liegenden Kühe und einige Störche über weite Strecken die einzigen Lebewesen in diesem Grenzgebiet mit dünner Bevölkerungsdichte. Etwas Abwechslung bringen lediglich die Städte Jubarkas und Silute in die etwas eintönige Tour durchs Memelland. In einem Café in Silute (Heydekrug) legen wir eine halbstündige Pause ein, bevor wir die letzten 25 Kilometer bis zu unserem Tagesziel angehen. Die Ankunft auf CP Ventaine erfolgt bei von Sturm und Regen begleiteter kühler Witterung. Kühl ist auch der Empfang in der Rezeption, wo mal wieder Vorkasse fällig ist. Wir löhnen in Anbetracht der schlechten Wetterlage erstmal stolze 45 Euro für zwei Tage und bauen unser Camp hinter zwei Womos aus Rostock und Frankfurt/M. in zweiter Reihe zum Wasser auf.
Ausflug auf die Kurische Nehrung
Sonntag, 25. Juni / 17. Tag
Der Wind bläst nach wie vor kräftig übers Haff und macht dem Ort an dem wir uns befinden (Windenburger Eck) alle Ehre. Zum Windenburger Eck, einer ins kurische Haff ragenden Landzunge, dem dortigen Leuchtturm und der Vogelwarte führt uns auch der erste Teil useres Sonntagsausflugs, den wir im Laufe des Tages zu einem großen Ausflug auf die Kurische Nehrung ausdehnen. Auf der Fahrt nach Klaipeda (Memel) legen wir einen Zwischenstopp im Geburtsort unseres Schwagers Bernhard in Priekulé (Prökuls) ein und finden nach kurzem Suchen auch sein Geburtshaus. Dann geht es weiter nach Klaipeda und von dort aus mit der Fähre auf die Nehrung. Um die unter Naturschutz stehende Nehrung mit dem Auto befahren zu dürfen, wird an einer Kontrollstation eine Gebühr von 20 € aufgerufen. An einigen besonders schönen Stellen machen wir Halt - zu ausgiebigen Wanderungen sind wir wegen Petras etwas angeschlagener Gesundheit und meiner gezerrten Achillessehne im Moment leider nicht im Stande. Das hält uns aber nicht davon ab, in Juodkrantė (Schwarzort) fürstlich zu Mittag zu speisen und in Nida (Nidden) wenig später den Sonntagskaffee einzunehmen.
Gegen 20 Uhr sind wir wieder zurück im Camp. Wegen des heftigen Sturms ohne Vorzelt und Sonnensegel muss jeder Schritt in unserem kleinen Wohnwagen gut überlegt sein. Aber wir sind in unseren Bewegungsabläufen gut organisiert und lassen den Sonntagabend gemütlich mit zwei Runden Skipbo und einem Fernsehfilm ausklingen.
Von Litauen nach Lettland
Montag, 26. Juni / 18. Tag
Nun sind wir schon über zwei Wochen unterwegs, der Kilometerstand in unserem Zugpferd hat sich in dieser Zeit um knapp 2000 Kilometer erhöht. Nach unserer Reise durch Polen und Litauen fahren wir heute weiter nach Lettland. Obwohl der Campingplatz Ventaine sehr schön war, sind wir froh, diese windige Ecke zu verlassen. Zunächst geht es auf von gestern bekannter Strecke vorbei an Klaipeda und dann weiter auf der A 13 in Litauen und A 11 in Lettland immer nordwärts. Nach 260 Kilometern und einem Halt im lettischen Nica, kommen wir bis Lipaja (Liebau) auf ausnahmslos gut ausgebauten Straßen zügig voran, bevor uns Fräulein Navi auf die holprige und wellige Landstraße P 111 nach Ventspils (Windau) schickt. Der erste Eindruck vom unmittelbar am Ostseestrand gelegenen Campingplatz "Piejuras kempings" ist positiv, so dass wir beschließen, ein paar Tage hier zu bleiben.
Schöne Tage in Ventspils
Dienstag, 27. Juni / 19. Tag
Der Tag beginnt mit einem Anruf bei meinem Bruder Dietmar, der heute seinen 81. Geburtstag feiert. Anschließend machen wir uns stadtfein, um zumindest einige der Sehenswürdigkeiten von Ventspils (Windau) zu sehen. Ventspils ist mit 40.000 Einwohnern die sechstgrößte Stadt Lettlands und nach Lipaja (Liebau) die wichtigste Hafenstadt des Landes. Wir fahren am Olympischen Zentrum vorbei, das mit seinen zahlreichen Sportkomplexen jeder Großstadt zur Ehre gereicht. Am Ufer der Vente, die hier in die Ostsee mündet, finden wir einen Parkplatz von dem wir in wenigen Minuten den Marktplatz der Stadt erreichen. Es ist Markttag und vor allem der Obst- und Gemüsemarkt, aber auch die Markthallen wecken unser Interesse. Berge von Kirschen und Erdbeeren werden von den Marktfrauen angeboten und schnell wechselt auch eine große Schale Erdbeeren ihren Besitzer. Nachdem wir noch ein paar Sachen im IKI Discount einkaufen, fahren wir zurück ins Camp und lassen uns im Restaurant einen kleinen Imbiss schmecken. Danach macht sich die Muddi an die Arbeit und bereitet aus dem aus der Stadt mitgebrachten Kohlkopf und den Rippchen einen leckeren Kohleintopf vor. Als kleine Gegenleistung streame ich für sie einige ihrer Lieblings-Serien aus dem Internet. Schnelles und kostenloses Internet scheint in den baltischen Ländern im Gegensatz zu Deutschland ganz normal zu sein......
Sommer, Sonne, Meer
Mittwoch, 28. Juni / 20. Tag
Weil es uns hier so gut gefällt, beschließen wir, erst morgen nach Riga weiterzufahren und verlängern unseren Aufenthalt in der Rezeption um einen Tag. Das Wetter verspricht schon am frühen Morgen einen schönen Tag, obwohl die gefühlte Temperatur nicht über 20 Grad liegen mag. Zunächst verbringen wir die Zeit bis zum Mittag faul in unseren Liegestühlen vor dem Wohnwagen. Am frühen Nachmittag machen wir einen Ausflug zum nahegelegenen Strand. Der ungewöhnlich breite Strand von Ventspils verfügt über alles, was man von einem gediegenen Ostseebad erwartet und ist obendrein blitzsauber und aufgeräümt. Rundum glücklich und zufrieden haben wir hier einen tollen Aufenthalt, an dessen Abschluss ein kleiner Imbiss im Strandrestaurant hinter der Düne steht. Kulinarischer Höhepunkt des Tages ist natürlich Muddis gehaltvoller Kohleintopf am Abend. Danach treffen wir bereits die ersten Vorbereitungen für unsere morgige Weiterfahrt nach Riga. Als wir uns gegen 23 Uhr zur Ruhe begeben, ist es immer noch taghell. Das wird wohl so bleiben, je weiter wir nach Norden kommen.
Kap Kolka, Roja, Jurmala
Donnerstag, 29. Juni / 21. Tag
Der schöne Campingplatz "Piejuras kempings" in Ventspils entlässt uns schon morgens um 6.30 Uhr mit strahlendem Sonnenschein. Die Sonne lacht auch noch vom blauen Himmel als wir nach ca. 85 Kilometern auf der Küstenstraße P 124 Kolka erreichen. Hier sorgt zunächst ein leckeres Frühstück in einem kleinen Hotelchen für einen optimalen Start in den Tag, bevor wir nach einem kleinen Spaziergang Lettlands nördlichstem Punkt, Kap Kolka, einen Besuch abstatten. Danach fahren wir auf der P 131 weiter in südlicher Richtung entlang der Küste über Roja und Jurmala auf Riga zu. Weil wir kein Kleingeld zur Hand haben, bringt uns in Jurmala bei strömendem Regen ein zwei Euro Stadtmaut fordernder Zahlautomat in arge Bedrängnis. Ein großzügiger Lette erkennt unser Problem und schenkt uns den fehlenden Euro. Die Durchfahrt durch das mondäne Jurmala hätten wir sehr gern auch bei schönem Wetter gemacht. Aber Pustekuchen, es gießt wie aus Kannen. Es regnet auch noch, als wir nach einer etwas komplizierten Fahrt durch Riga gegen 15:30 Uhr unser Tagesziel, den Campingplatz Riverside, am Ufer der Daugava erreichen. Das frühe Einchecken zahlt sich aus, den im Laufe des Tages rollen hier noch eine große Zahl von Teilnehmern der Rallye Baltic Sea Circle ein, die vom Nordkap kommend hier ihre Zelte auschlagen. Die tollkühnen "Roadrunners" in ihren mindestens 20 Jahre alten Kisten sorgen für viel Trubel auf dem nun proppevollen Platz.
Zu Gast im Segelclub
Freitag, 30. Juni / 22. Tag
Der für heute geplante Ausflug in die Altstadt von Riga (Vecrīga) fällt im wahrsten Sinn des Wortes ins Wasser. Es hat die ganze Nacht wie aus Kannen geschüttet und auch am Vormittag trommelt der Regen noch stark auf unser Wohnwagendach. Darum beschließen wir, unseren Aufenthalt in Riga um einen Tag zu verlängern und hoffen am morgigen Sonnabend auf besseres Wetter für unsere Sightseeing-Tour. Als der Regen gegen Mittag etwas nachlässt, bummeln wir über die Halbinsel Kipsala auf der unser Campingplatz liegt und stoßen ganz zufällig auf das 10-jährige Jubiläum eines Rigaer Segelclubs. Nach unserer Teilnahme an einer Tombola streift uns eine hübsche Hostess blaue Bändchen über den Arm, womit wir von nun Gäste dieser Festivität sind und uns den Getränken und dem reichhaltigen Buffet widmen dürfen. Zwar verfehlen wir den Hauptgewinn bei der Tombola, ziehen uns jedoch rundum gesättigt und mit einem kleinen Vorrat leckerer Zimtschnecken zum Nachmittagskaffee in unser Schneckenhaus zurück. Danach zeigt sich das Wetter doch noch von seiner besseren Seite, so dass wir uns sogar ein wenig auf der V.I.P.-Lounge in unmittelbarer Nähe unseres Wohnwagens tummeln können.
Stadtbummel durch Riga
Sonnabend, 1. Juli / 23. Tag
Unser Plan, den Stadtbummel durch Rigas Altstadt auf heute zu verschieben, geht voll in die Hose. Leider ist das Wetter heute noch beschissener als gestern. Getreu unserem Motto, uns von Wetterunbilden nicht unterkriegen zu lassen, machen wir uns, soweit es die Regenkleidung zulässt, nach dem Frühstück stadtfein. Allerdings verzichten wir auf den Fußweg zur Bushaltestation, sondern fahren mit 'nem Taxi in die City. Unser Rundgang beginnt am Domplatz, wo wir auf eine geballte Menge Touristen treffen, die in Grüppchen aufgeteilt, den Worten ihrer Fähnchen schwingender Stadtführerin lauschen. Wir versuchen, die Altstadt auf eigene Faust zu erlaufen und haben uns aber dafür zuvor in einschlägiger Reiseliteratur geistigen Beistand geholt. Nach mehrstündiger Tippelei durch die Stadt landen wir in den Rigaer Markthallen, die zu den größten Europas zählen. Nach kleinem Einkauf lassen wir uns in einer ruhigen Ecke zu einem Imbiss nieder. Auf dem Rückweg kommen wir am Marktplatz am prächtigen Schwarzhäupterhaus vorbei, bevor wir im Costa Coffee Zuflucht vor dem nächsten Regenschauer suchen. Nach einer knappen Stunde fahren wir mit dem Taxi ins Camp zurück. Hier werden wir von unserem neuen Nachbarn, einem Sachsen, der seit der Wende in Bayern wohnt, freundlich begrüßt. Der Mann ist mit seiner Frau und 3 (drei!) kleinen Hündchen im Fußhupenformat in der Gegenrichtung unterwegs, hat also Finnland und Estland bereits hinter sich und ist nun auf Heimatkurs.
Von Lettland nach Estland
Sonntag, 2. Juli / 24. Tag
Schon wegen des miesen Wetters fällt uns der Abschied von Riga nicht schwer. Etwas schwerer indes fällt es uns trotz Navi den Weg aus Riga hinaus zu finden. Nur gut, dass heute Sonntag und der Verkehr halbwegs überschaubar ist. An einem Werktag stellen wir uns die Fahrt durch die zahlreichen baustellenbedingten engen Nebenstraßen mit dem Wohnwagen hinten dran schon etwas beschwerlicher vor. Letztendlich bringt uns Fräulein Navi aber doch noch wohlbehalten auf die EU-finanzierte A 1 in Richtung Tallin, auf der wir dann recht komfortabel dahinrollen. In einem ebenso komfortablen Gasthaus legen wir eine Kaffeepause ein, tanken kurz vor der Grenze noch mal voll, weil der Diesel in Estland ca. 10 Cent teurer als in Lettland ist und fahren dann noch etwa 40 km bis Pärnu. Um den zuletzt im Internet sehr schlecht bewerteten Campingplatz Konse machen wir einen Bogen und checken stattdessen auf dem 5 km stadtauswärts gelegenen Jõekääru Kämping ein. Weil sich nach den regenreichen Tagen mal wieder die Sonne zeigt, können wir sogar unser Sonnensegel und darunter Tisch und Stühle aufbauen. Letzter Höhepunkt des Tages ist eine Skipbo-Runde, bei der die Muddi als Siegerin vom Tisch geht.
Schreck in Pärnu
Montag, 3. Juli / 25. Tag
Nach den Regentagen in Riga zeigt sich im estländischen Pärnu endlich wieder die Sonne. Zwar sind die Temperaturen für diese Jahreszeit immer noch im Keller, aber da wo die Sonne hin scheint, lässt es sich aushalten. Was liegt da näher, als einen Streifzug durch die Hafenstadt Pärnu zu machen. Tante Google empfiehlt uns als erstes die Altstadt zu besuchen, was wir auch prompt befolgen. Für einen Schreck der ganz besonderen Art sorgt die Muddi als wir uns gegen Mittag in einem kleinen Restaurant zum Essen niederlassen: Beim Bezahlen ist nämlich die von ihr sets sorgfältig gehütete Brieftasche, samt Bargeld, allen Ausweispapiere und sämtlichen Kreditkarten nicht mehr in ihrer Handtasche! Weniger verloren als vielmehr geklaut ist unsere niederschmetternde Vermutung. Nach einer Achterbahnfahrt der Gefühle stellt sich aber zum Glück heraus, dass das gute Stück wahrscheinlich in der Tourist-Information versehentlich in meine Tasche gelangt ist. Was uns nun für ein Stein vom Herzen plumst, kann nur der verstehen, dem Ähnliches schon mal widerfahren ist. So nimmt der Tag noch einen schönen Verlauf. Das Mittagessen schmeckt uns vorzüglich, die Muddi gönnt sich einen längst fälligen Friseurbesuch und nach Kaffee und Kuchen in einem kleinen Straßencafé und dem Einkauf bei einem Lebensmitteldiscounter kehren wir frohgemut zu unserem rollenden Zuhause zurück.
Empfang mit Blitz und Donner
Dienstag, 4. Juli / 26. Tag
Heute heißt es dem kleinen Jõekääru Kämping Adieu zu sagen und Kurs auf unser nächstes Ziel zu nehmen. Es geht auf die Insel Saaremaa, wo uns als Tagesziel den Campingplatz Tehumardi erwartet. Ein Platz, der im Vergleich zu den andern Plätzen auf der Insel, die um die Gunst der Camper werben, am besten abgeschnitten hat. So einfach, wie wir uns die ca 180 km bis dahin vorstellen, wird die Fahrt aber nicht. Zunächst fahren wir auf der gut ausgebauten L 176 auf Lihula zu, wo uns die A 10 nach Saaremaa mit einer 8 Kilometer langen Baustelle und einer harten Prüfung für Fahrer und Material überrascht. Auf einer äußerst holprigen Schotterpiste geht es nur im Schrittempo voran und wir glauben das Poltern und Scheppern in den Geschirrschränken unseres Wohnwagens hinter uns zu hören. Nun handelt es sich hier nicht um eine beliebige Landstraße, sondern um die Hauptverbindungsstraße zwischen Saaremaa und der Hauptstadt Tallin mit einem sehr großen Verkehrsaufkommen..... Aber irgendwann ist auch diese Tortour vorbei und wir fahren ab Virtsu mit der Fähre hinüber nach Muhu. Begleitet wird die Überfahrt von Blitz und Donner, bevor die Weiterfahrt auf der Insel wegen Starkregens und überschwemmter Straßen kaum noch möglich ist. Von der schönen Landschaft sehen wir so gut wie gar nichts und sind froh, nach weiteren 90 km Fahrt unser Tagesziel im Süden der Insel zu erreichen. Weil auch die Temperaturen bis auf 13 Grad abgesunken sind, beschließen wir, unser Vorzelt aufzubauen. So sitzen wir am Abend im gut geheizten (!!) Vorzelt bei einer Flasche halbtrockenen Roten und stoßen auf unsere Ankunft auf Saaremaa an. Leute, wir schreiben den 4. Juli und es es ist doch eigentlich Hochsommer....... Kann denn dem Juli einer mal sagen, dass er kein Oktober ist!
Landpartie auf Saaremaa - Teil 1
Mittwoch, 5. Juli / 27. Tag
Bereits am Vormittag lacht die Sonne vom blankgeputzen Himmel in unser Vorzelt, dass es eine Freude ist. Bei diesem Wetter sind wir uns nach dem Frühstück schnell einig, eine Erkundungstour quer durch Saaremaa zu machen. Wir packen das Nötigste ins Auto und fahren auf abgelegenen Wegen zuerst an der Westküste entlang durch eine faszinerende Landschaft. Wir durchfahren scheinbar endlose Wälder und immer wieder blitzt die Ostsee durch die vom Wind gebeugten Bäume. Dabei lassen wir uns von den braunen Wegweisern zu besonderen Sehenswürdigkeiten leiten. Eine erste Pause legen wir in einem Gasthaus in Lümanda ein. Die Speisekarte bietet landestypische Gerichte, aber leider ist es noch zu früh zum Mittagessen. Deshalb setzen wir nach einer Tasse Kaffee unsere Erkundungtour fort. In Kihelkonna machen wir an der Kirche und deren separaten Glockenturm Halt. Hier erwartet uns Frau Meili, die uns in deutsch die bewegte Geschichte dieser Kirche und ihrer Gemeinde nahe bringt. Die anschließende Suche nach dem Meteoritenkrater von Kaali geben wir nach längerem Suchen auf holprigen Schotterwegen erfolglos auf. Dafür finden wir aber in Mustjala zur rechten Zeit ein uriges Gasthaus, schließlich ist es Zeit zum Mittagessen. Danach geht es weiter zur Nordküste an die Steilküste von Panga. Hoch über der See wandern wir ein Stück an der Küste entlang, bevor wir uns wieder auf "Heimatkurs" begeben und kurz vor 20 Uhr in unserem Camp sind. Wir sind dankbar, so einen schönen Tag erleben zu dürfen und nehmen uns für morgen den zweiten Teil unserer Landpartie vor.
Landpartie auf Saaremaa - Teil 2
Donnerstag, 6. Juli / 28. Tag
Vor unserem Stadtbummel nach Kuresaare machen wir noch einen Abstecher an das südliche Ende der Halbinsel Sörve und stellen dabei fest, dass dieser Teil der Insel landschaftlich nicht ganz so reizvoll ist wie Saaremaas westlicher und nördlicher Teil. Eine Windmühle bei Ohesaara und der Leuchtturm von Sörve sind das einzige Highlight dieser Tour. Vom Leuchtturm geht es dann zurück in die Inselhauptstadt Kuresaare, wo uns unser Fräulein Navi zuerst zu einer Tanke lotst, die es gar nicht mehr gibt. Wenige Meter weiter können wir dann doch noch den in Estland gegenüber Lettland und Litauen etwas teueren Diesel rüsseln. Dem wieder mal fälligen Einkauf von Lebensmitteln und Getränken im örtlichen Rimi am Nachmittag soll eigentlich noch ein Stadtbummel durch Kuresaare folgen. Leider sind wir beide zu müde, um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen und fahren stattdessen zum Campingplatz zurück. Nach einem kurzen Nickerchen im und vorm Wohni lassen wir es uns am Abend noch mal so richtig gut gehen und bereiten uns in unserer Spezial-Elektrobratpfanne eine große Portion Bratkartoffeln zu.
Weiter nach Haapsalu
Freitag, 7. Juli / 29. Tag
Gegen 7.30 Uhr, also für uns zu einer recht ungewohnt frühen Zeit machen wir uns reisefertig. Der Abbau unseres Camps verläuft wie gewohnt schnell und reibungslos, weil jeder weiß, was zu tun ist. Um 9 Uhr sind wir auf der Piste und verlassen bei sonnigem Wetter, aber noch kühlen Temperaturen um die 16 Grad mit etwas Wehmut diese schöne Insel. Vor der Überfahrt aufs Festland machen wir noch auf der Insel Muhu Halt in Koguva, einem Dorf, dass zur Hälfte noch bewohnt und zur anderen Hälfte Museum ist. Fast zwei Stunden krabbeln wir durch die Hütten und Katen und machen uns ein Bild, wie hier vor 100 und mehr Jahren gelebt wurde. Danach bringt uns die Fähre in einer halben Stunde hinüber aufs Festland. Wie schon auf der Hinfahrt, wird unser Auto und vor allem unser Wohnwagen auf der Straße nach Lihula auf der 8 km langen Baustelle einer harten Materialprobe unterzogen. Haapsalu erreichen wir gegen 16 Uhr und erwischen gerade noch einen der letzten Stellplätze auf dem bereits proppevollen Kämping Pikseke. Nach dem obligatorischen Kaffee und Kuchen macht sich die Muddi zunächst an die wieder mal fällige Wäsche, bevor wir diesen Reisetag bei einem trockenen Riesling vor unserem Wohnwagen ausklingen lassen. Schließlich sind wir heute schon vier Wochen unterwegs und das ist doch allemal einen guten Tropfen wert, oder?
Stadtbummel in Haapsalu
Sonnabend, 8. Juli / 30. Tag
Kaum zu glauben, aber nach den kühlen Tagen auf Saaremaa meint es das Wetter hier in Haapsalu wieder besser mit uns. Kein Wölkchen zeigt sich am Himmel und die Temperatur steigt im Laufe des Tages auf über 20 Grad. Genau richtig, um sich das unweit der Hauptstadt Tallinn gelegene Haapsalu mal anzuschauen. Das Städtchen, das wegen seiner zahlreichen Kanäle auch Venedig des Ostens genannt wird, macht auf uns auf Anhieb einen sympathischen Eindruck. Zumal Markttag ist und die Muddi dort nach kurzem Herumstöbern wieder mal fündig wird. Mit der Bischofsburg statten wir als erstes einer der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt einen Besuch ab, allerdings ohne das Museum im Inneren der Burg zu besuchen. Museumstag war gestern auf Muhu, heute ist das Wetter viel zu schön, um sich mit der ohne Zweifel interessanten Vergangenheit der Burg zu befassen. Stattdessen bummeln wir noch ein wenig durch die Stadt, legen auf einer Bank am Wasser die Beine hoch und teilen uns in einer der zahlreichen Gaststätten eine große Pizza und einen Krug Wasser. Vergeblich suchen wir nach dem echten Bullerbü, das der aus Haapsalu stammenden Ilona Wikland als Vorlage für ihre Illustrationen der Lindgrenschen Bullerbü-Bücher diente. Nach Kaffee und Kuchen sowie Abendbrot im Camp lassen wir diesen herrlichen Tag mit einem trockenen Rotwein ausklingen und bringen unsere Reisenotizen auf den aktuellen Stand.
An dieser Stelle mal ganz liebe Grüße an alle, die unseren Blog verfolgen bzw. hin und wieder unsere Webseite besuchen und uns virtuell auf unserer wunderbaren Reise begleiten. Vielen lieben Dank!
Johannas Familie
Sonntag, 9. Juli / 31. Tag
Der Tag beginnt mit etwas Regen, erst gegen Mittag brechen die ersten Sonnenstrahlen durch den bis dahin dicht bewölkten Himmel. Nach dem Frühstück kommt es zu einem interessanten Begegnung mit Johanna, (20) und ihrem Opa (84) aus dem finnischen Tampere, kurz danach gesellen sich noch Johannas Eltern - der Papa aus Lappland und die Mutti aus Estland - dazu, die allesamt mit ihrem Wohnmobil nur wenige Meter weiter stehen. Da die hübsche Johanna sehr gut deutsch spricht, das sie auf Reisen nach Deutschland und Österreich gelernt hat, lernen wir so einiges über ihr Heimatland, sprechen über das Wikland-Museum und versuchen auch die ersten finnischen Vokabeln nachzusprechen. Die finnische Sprache wird uns aber genauso wie litauisch, lettisch und estländisch sehr fremd bleiben. Mehr als "hej" zur Begrüßung und "hej hej" zur Verabschiedung bleibt bei uns vorerst nicht hängen.
Das echte Bullerbü liegt in Haapsalu
Am frühen Nachmittag starten wir dann zu unserem zweiten Stadtbummel durch Haapsalu. Tagesziel ist das gestern vergeblich gesuchte Wikland-Museum. Schließlich hat Ilon Wikland, die Illustratorin der Bücher der weltberühmten Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, ihre Kindheit in Haapsalu verbracht. Der Besuch war allemal die sechs Euro Eintritt p.P. wert, wird man doch beim Betrachten der interessanten Ausstellung ungewollt in die eigene Kinheit zurückversetzt, wenn man noch mit Pippi Langstrumpf, Karlsson auf dem Dach und den Kindern aus Bullerbü etwas anfangen kann. Nach einem Spaziergang auf der Promenade sitzen wir in einem kleinen Café in der Altstadt bei Kaffee und Kuchen. Nachdem wir im Camp noch die letzten Strahlen der Abendsonne genießen, zaubert die Muddi noch einen leckeren Linseneintopf mit Mettenden aus der Bordküche. Damit es nicht heißt, "die haben ja fast an jedem Abend gesoffen" geben wir das heutige Abendprogramm mal nicht bekannt.......
Die letzte Etappe im Baltikum
Montag, 10. Juli / 32. Tag
Mit unserer letzten Etappe von Haapsalu nach Tallinn geht heute unsere Reise durch das Baltikum zu Ende. Die drei Tage in Haapsalu schließen sich nahtlos an die drei schönen Tage auf Saaremaa an. Mit etwas mehr als 100 Kilometern ist die Fahrt in die estländische Hauptstadt die kürzeste Etappe unserer bisherigen Reise. Allerdings führt sie uns nicht direkt nach Tallin hinein, sondern in den kleinen Vorort Jüri, etwa 15 Kilometer südlich von Tallinns Zentrum. Nach etwa 80 Kilometern Fahrt auf der bestens ausgebauten A 9 kommt unser Fräulein Navi wegen sehr intensiver Straßenbauarbeiten 20 Kilometer vor der Haupstadt gehörig durcheinander. Die vielen neuen Straßen hat der elektronische Wegweiser nicht auf dem Schirm, aber mit einigen Umwegen kommen wir doch noch ans Ziel und finden sogar auf Anhieb den etwas abgelegenen Campingplatz Kivi Talu (Stein-Farm).
Wir sind angemeldet und werden von einem Camp-Mitarbeiter freundlich begrüßt. Was uns der junge Mann dann präsentiert, übertrifft unsere kühnsten Erwartungen. Das weitläufige, sehr gepflegte Gelände ist für Camper, egal ob mit Wohnwagen oder Zelt, perfekt durchorganisiert. Alles ist liebevoll gestaltet, sogar ein kleiner Pool lädt zum baden ein. Gegen 18 Uhr fahren wir im dicken Feierabend-Verkehr, der mit jeder Großstadt mithalten kann, nach Tallinn hinein, um uns in einem Caravan- und Campingfachgeschäft Aqua Blue für unser Bord-WC zu besorgen. Obwohl der Laden bereits seit 18 Uhr geschlossen ist, können wir dem netten, noch anwesenden Geschäftspersonal um 19 Uhr das dringend benötigte blaue Zeug abkaufen. Auf dem Rückweg ist noch mal ein Tankstopp und ein kleiner Einkauf im Selver fällig, bevor wir gegen 21 Uhr wieder im Camp sind und uns beim Sonnenuntergang das Abendbrot schmecken lassen.
Tallinn unter tristem grau
Dienstag, 11. Juli / 33. Tag
Wie schon in Riga präsentiert sich auch der Himmel über Tallinn im tristen grau. Zumindest regnet es am Vormittag (noch) nicht. Nachdem wir mit dem Stadtbus die Altstadt erreichen, suchen wir als erstes die Tourist-Info auf, um uns mit dem nötigen Kartenmaterial einzudecken. In Anbetracht der zahlreichen Sehenswürdigkeiten sind wir gut beraten, mit unseren Kräften sorgsam umzugehen. Darum tuckern wir zunächst mit dem City-Train über die holprigen Straßen der Altstadt und verschaffen uns einen Überblick über alles, was wir zu Fuß erreichen könnten. Was im Stadtplan besonders empfohlen wird, klappern wir zwar ab, sind aber schon nach zwei Stunden ziemlich pflastermüde. Das Schnitzelhaus in der Rüütlistraße kommt uns gerade recht, um bei lokusdeckelgroßen Schnitzeln wieder zu Kräften zu kommen. Danach gehts bei leichtem Nieselregen hinauf zur russisch-orthodoxen Newski-Kathedrale. Und während im Inneren der pompösen und prunkvollen Kathedrale zu einer Spende für den Erhalt des Gotteshauses gebeten wird, strecken uns draußen ärmlich gekleidete Omis ihre bettelnden Hände entgegen........
Als uns der Stadtbus wieder zurück nach Jüri bringt, beginnen wir nach einem wolkenbruchartigen Regen mit den Reisevorbereitungen für morgen. Bereits um 7 Uhr müssen wir uns mit unserem Gespann am Terminal B zum Check-inn einfinden.
Also auf zu neuen Ufern!